"Fare una bella figura“ – eine Phrase, die in Italien sehr ernst genommen wird. Der Schein ist, so scheint es, oft wichtiger als das Sein. Wir machten uns auf den Weg nach Rom in die ewige Stadt, um hinter den schönen Schein von moderner Architektur zu blicken und uns mit aktuellen Themen der Stadt auseinander zu setzen. Wir erlebten aber auch den römischen Alltag. Selber zu spüren bekamen wir, was es heißt, wenn die Bediensteten der öffentlichen Verkehrsmittel für einen Tag ihre Arbeit niederlegten und wir deshalb zu Fuß weitergehen mussten. Wir erlebten aber auch beschauliche Momente in Stadtvierteln abseits der touristischen Pfade, wo wir ein Stück in das Leben der Römerinnen und Römer eintauchen konnten.
Fotos und Texte: Marco Vanek und Herta Gurtner
Rom als Synonym für die Antike und deren beeindruckende Bauten verfügt über eine beträchtliche Anzahl interessanter, moderner Architekturen, die dem/der herkömmlichen TouristIn unbekannt sind. Von der größten Moschee Europas bis zu den faschistischen Bauten der Mussolini-Ära im Stadtteil EUR spannte sich unser Besuchsbogen. Nicht zu vergessen die eindrucksvollen Kunst- und Kulturbauten wie das „MAXXI“ oder der „Parco della Musica“.
Anhand von Architekturbeispielen des 20. und 21. Jahrhunderts konnten wir gesellschaftspolitische Themenbereiche wie „Religion“, „Kunst und Kultur“ sowie „Politik“ in der ewigen Stadt erforschen und mit unseren GesprächspartnerInnen darüber diskutieren. Gemeinsam mit ihnen blickten wir hinter die Fassaden der Bauten und erspürten so einen Hauch des anderen Rom.
Chiesa Dio Padre Misericordioso
Die Kirche in der Trabantenstadt Tor Tre Teste wurde vom amerikanischen Architekten Richard Meier zwischen 1998 und 2003 erbaut, als Teil des
Bauprogrammes der Diözese Rom "50 Kirchen für Rom" . Mit ihrer betont skulpturalen Formensprache schafft der Kirchenbau einen Gegenpol zum normierten Raster der umgebenden Wohnbauten aus den 70er
Jahren und verleiht dem Quartier damit ein neues, fast unwirklich anmutendes Zentrum. Die Materialien der Konstruktion sind vor allem Glas, Weißzement und Travertin. Richard Maier: "Das
Wichtigste ist Licht. Licht ist Leben".
Auditorium Parco della Musica
Das von Renzo Piano in den Jahren 1995 bis 2002 erbaute Kulturzentrum zählt zu den größten Konzerthäusern Europas. Es besteht aus drei Sälen (2800, 1200 und 750 Plätze), das Untergeschoss bietet
Platz für fünf Tonstudios, Probesäle und Bibliotheken. Außerdem finden sich dort ein Restaurant, eine Bar und eine Buchhandlung. Die drei Konzertsäle säumen im Halbrund die abfallenden Stufen
eines offenen Amphitheaters für 3000 BesucherInnen. Die Geometrie der drei Gebäude greift die Form der Schallkörper eines Orchesterraumes auf. Das Holz der Kuppelkonstruktion kam aus Kärnten;
weiters verwendet wurden Travertin, Backstein, Blei für die Dachplatten (die zugleich als Abschirmung gegen Handy-Strahlen dient), sowie Kirschholz aus den USA für die Akustikelemente im größten
Saal.
Esposizione Universale di Roma (EUR)
Das Stadtviertel EUR wurde vom Mussolini-Regime für die geplante, aber nie abgehaltene Weltausstellung 1942 angelegt. Die Bauarbeiten begannen 1938 und wurden kriegsbedingt unterbrochen und die
meisten Bauten erst in den 1950er Jahren fertiggestellt. Die politische Motivation dahinter: Jubiläum des Regimebeginns 1922. Städtebaulich verbindet es das historische Zentrum Roms über die
Viale Cristoforo Colombo mit dem Meer bei Ostia und entsprach damit der faschistischen Direktive „Rom ans Meer“. Der Grundriss ist von der klassischen römischen Stadtplanung geprägt und ordnet an
den Schnittpunkten von Haupt- und Nebenachsen zentrale Monumentalbauten an. Inmitten des EUR steht auch der Palazzo dei Congressi (Bild), ein niedrig überkuppeltes Gebäude des Architekten
Adalberta Libera, in einem Stil, den man heute als rationalistisch (sehr schlicht) bezeichnen würde.
Gespräch mit Rosalba Belibani
Gemeinsam mit Dott.ssa Rosalba Belibani (Professorin am Dipartimento di Archtettura e Progetto der Universität La Sapienza Rom, rechts neben Herta Gurtner sitzend) erörterten wir die stadtplanerischen Herausforderungen in Rom, allen voran den (mangelhaften) öffentlichen Verkehr, das Problem mit der Müllentsorgung, den schlechten Luftwerten sowie den Einfluss von repräsentativen Bauten wie dem MAXXI auf den Stadtteil.
Museo nationale della arti del XXI secolo (MAXXI)
Zaha Hadid definierte mit diesem Gebäude den Raum neu. Ihr Konzept dahinter: fließende, expandierende, offene Räume,
die zu schweben scheinen, Räume ohne zentralen Fluchtpunkt, sondern perspektivistisch angelegt, eine nicht-euklidische Geometrie... Zum Einsatz kamen ein grauer Sichtbeton, Faserbeton, Stahl und
Glas. Durch eine speziell für diesen Bau entwickelte Verschalung und die Industrialisierung des Fertigungsprozesses der Sichtbetonflächen gelang es den IngenieurInnen den Entwürfen von Zaha Hadid
zu entsprechen. Im Jahr 2003 wurde der Grundstein gelegt, 2010 wurde das erste italienische Museum für zeitgenösssiche Kunst und Architektur eröffnet.
Weitere Infos:
Herta Gurtner: Das MAXXI, Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo. Architektur - Raum - Kunst - Mensch. Kommunikation im sozialen Raum, 2015, Diplomarbeit
La Grande Moschea Roma
Die "Große Moschee", wurde 1995 eingeweiht und ist angeblich die größte in Europa. Finanziert wurde der Bau vorrangig vom saudischen Königshaus, aber auch von zahlreichen islamischen Ländern. Die
Stadt Rom stellt das 30 Hektar große Grundstück zur Verfügung. Die Moschee liegt am Fuße der Monti Parioli, inmitten eines grünen Areals, etwas außerhalb der Stadt. Der Bau wird stilistisch der
Postmoderne zugerechnet und greift Elemente der barocken Architektur Roms sowie der islamischen Bautradition auf. Streng waren die baulichen Auflagen: das Minarett durfte nicht höher sein als der
Petersdom und Lautsprecher durften nicht eingebaut werden.
Forum Austriaco di Cultura
Das österreichische Kulturinstitut (ÖKF) in Rom schlägt Brücken zwischen der zeitgenössischen KünstlerInnenszene in Österreich und dem interessierten römischen Publikum. "Kultur ist die
dritte Säule der Österreichischen Außenpolitik", berichtete die Direktorin Elke Atzler bei unserem Besuch am heutigen Standort. "Das ÖKF zählt zu den Hauptakteuren in der
österreichischen Kulturvermittlung in den jeweiligen Ländern und organisiert Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Symposien, Filmvorführungen und vieles andere mehr. 1936 wurde mit dem Bau
des Hauses in der Viale Bruno Buozzi begonnen. Die Pläne stammen vom österreichischen Architekten Karl Holey. Im Haus untergebracht ist auch eine Bibliothek mit über 100.000 Bänden mit
Schwerpunkt Kunstgeschichte, Archäologie, Kunst, Literatur und Landeskunde Österreichs. Im Haus untergebracht ist auch das Historische Institut, eine der bedeutendsten Forschungseinrichtungen der
Republik Österreich im Ausland.