Böhmerwald - Zelezna Ruda

Grenzenloser Wald

Eine kleine Winterreise durch das Grenzgebiet zwischen dem böhmischen Železná Ruda und dem deutschen Bayrisch-Eisenstein.

Die Region im nördlichen Böhmerwald war jahrhundertelang geprägt vom grenzüberschreitenden Austausch zwischen Bayern und Böhmen. Handelsstraßen zogen sich durch den Wald über und entlang der Grenze. Weil diese Region in der beginnenden Neuzeit fast menschenleer war, förderten die böhmischen Könige die Ansiedlung durch deutsche Handwerker, Bauern und Wald- und Bergbauarbeiter. Markt Eisenstein, das heute Železná Ruda heißt, entstand ursprünglich als eine Siedlung am Zusammenfluss von Regen und Železný potok Anfang des 16. Jahrhunderts. Damals führte hier der Handelsweg namens Výšinná vom Donautal durch das Tal des Regens über das heutige Hofmanky, am Berg Panzer vorbei und weiter nach Klattau.

Der Grenzverlauf im Böhmerwald ist seit der Zeit Maria Theresias unverändert.
Der Grenzverlauf im Böhmerwald ist seit der Zeit Maria Theresias unverändert.

Dieser Landstrich erlebte einen ersten Aufschwung, als im Jahr 1569 Graf Georg von Gutstejn die Mühle und Eisenerzgrube Konrad Geisler und Melichar Fiedler aus Passau verpachtet. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gehörte die Ortschaft Heinrich Nothaft, der hier die erste Glashütte gegründet hatte. Um das Dorf wurde oft gestritten. Die ursprünglichen Grenzen des böhmischen und bayerischen Königreiches wurden vertraglich während der Herrschaft von Maria Theresia im Jahre 1764 aufgelöst. Die Grenze, die ein Jahr später markiert wurde, ist praktisch bis zum heutigen Zeitpunkt gültig. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Naturbedingungen verändert, und mit ihnen auch die menschlichen Aktivitäten in diesem Gebiet. 

 

Der Böhmerwald war in dieser Zeit immer noch reich an Wäldern und war durch neue Wege und auch durch die Eisenbahn zugänglich gemacht worden. In den Jahren 1874 bis 1877 wurde von Pilsen her die Bahn nach Železná Ruda und weiter nach Bayern gebaut. Das letzte Hindernis war der Bau von drei Tunneln. Der Tunnel unter dem Spitzberg war der längste in Österreich-Ungarn und bis 2008 auch der längste in Tschechien. Die Bahn war wichtig für die Nachbarländer (Verfrachtung von Rohstoffen, Material und Erzeugnissen), aber auch als Transport von Touristen in eine bisher unbekannte Gegend. Damit begann die dritte Etappe der Entwicklung dieser Gegend.

 

Durch den Anschluss an die Bahnlinie 1877 nahm in Eisenstein als neue Erwerbsquelle der Tourismus seinen Aufschwung. So eröffneten oberhalb des Ortes am Špičák 1881 das Hotel Prokop, das vorher als Arbeiterwohnheim für den darunter liegenden Tunnel gedient hatte. 

 

Panzersperren waren ein Teil der ehemaligen Grenzbefestigung und sind noch heute entlang des Weges sichtbar.
Panzersperren waren ein Teil der ehemaligen Grenzbefestigung und sind noch heute entlang des Weges sichtbar.

Železná Ruda war für die Republikswerdung der Tschechoslowakei von großer Bedeutung. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kam es vom 21. bis 23. Juli 1919 von hier ausgehend zum ersten militärischen Aufstand der neugegründeten Republik.

 

Durch die Benes-Dekrete wurden alle Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem böhmischen Teil der Stadt und der umliegenden Dörfer vertrieben. Danach war die Region bis 1989 streng bewachtes Sperrgebiet. Der Grenzstreifen war durchschnittlich einen Kilometer breit, an manchen Stellen gab es aber ein bis zu vier Kilometer breites Sperrgebiet. 

Die Dörfer im Sperrgebiet, die bis 1948 mehrheitlich von deutschsprachigen Böhmen bewohnt waren, wurden schrittweise demoliert oder dem Verfall preisgegeben.

 

Durch die Samtene Revolution Ende 1989 und die Bildung des Nachfolgestaates kam es am 2. Juni 1991 zur visumfreien Grenzöffnung über den Bahnhof Bayerisch Eisenstein /Železná Ruda-Alžbětín.

  

Auf einem Wanderweg hinüber in den Bayerischen Wald wurden Teile der Grenzbefestigungen erhalten, um so auch den Spätgeborenen den Irrsinn dieser Zeit näher zu bringen. Im damaligen Sperrgebiet befinden sich heute ein Schigebiet, ein Bikerpark und zahlreiche Wanderwege...

Besonderheit: Grenzbahnhof:

Beim Bau der Bahnlinie um 1870 wurde damals schon ein gemeinsamer Grenzbahnhof eingerichtet. Noch heute geht die Staatsgrenze durch das Bahnhofsgebäude, einmalig in Europa. Während des Kommunismus war der Bahnhof ein streng kontrollierter Bereich, der nur mit einem Visum durchfahren werden konnte. Die deutschen Gleise endeten damals an einer Hecke. Heute befindet sich auf deutscher Seite ein nettes Bahnhofsrestaurant und einige Ausstellungen des Naturparks, sowie ein Inforaum zu den ehemaligen Grenzbefestigungen der CSSR...

Bilder von unserer Reise im Februar 2025:

Bilderklärungen von links oben nach rechts: Vom Bahnknotenpunkt Plattling geht heute die moderne Waldbahn bis nach Bayerisch-Eisenstein. Der Grenzwald ist vom Borkenkäfer besonders betroffen. Der Naturvermittler Steffen erzählt vom Leben der Pflanzen und Tiere im Wald. Seit Jahrhunderten werden Glasprodukte dies- und jenseits der Grenze hergestellt. Das Heimatmuseum von Železná Ruda stellt nicht nur die  Produkte aus dem 19. Jahrhundert aus, sondern ist selbst schon museales Objekt. Zu Fuß durch die Ausläufer des Künischen Gebirges mit einem Zwischenhalt im kleinen Dorf Desenice. Alte Alleebäume säumen die Straßen auf böhmischer und bayerischer Seite. Der zwiebelförmige Turm der katholischen Kirche Železná Ruda erinnert an russisch-orthodoxe Kirchenbauten. Über 600 Jahre ist die mächtigste Tanne des Böhmerwaldes bereits alt, sechs Menschen braucht es, um sie zu umarmen...

 

Text: Marco Vanek, Fotos: Marco Vanek, Annemarie Niedereder.