Lykien

Was blieb über vom Lykischen reich?

Um die Zeitenwende bestand südwestlich vom heutigen Antalya das Reich der Lykier. Auf unserer Wanderreise haben wir uns auch auf Spurensuche nach dem alten Lykien begeben.

Blick auf die versunkene antike Stadt Kekova, eine der vielen blühenden Städte Lykiens in der Periode rund um die Zeitenwende.
Blick auf die versunkene antike Stadt Kekova, eine der vielen blühenden Städte Lykiens in der Periode rund um die Zeitenwende.

Lykien lag an der Schnittstelle vieler Hochkulturen. Phönizier, Griechen, Perser, Ptolemäer, Römer – alle machten hier auf ihren Handelsreisen und Eroberungszügen Station und hinterließen ihre Spuren. In dem kulturellen Schmelztiegel entwickelte sich eine eigenständige Kultur, die viele fremde Errungenschaften – zum Beispiel die römische Badekultur – übernahm und dennoch ihre Eigenständigkeit bewahren konnte. Die Lykier hatten lange Zeit ihre eigene Sprache und ihre eigenen Götter. Auch in der Architektur kupferten sie die Großmächte nicht eins zu eins ab. Sie mussten zwar oft Tribut zahlen, gehörten mal zum griechischen, mal zum persischen oder römischen Machtbereich, aber in Lykien waren nie fremde Truppen stationiert. 

Das antike Lykien war der kurze Küstenstrich westlich von Antalya bis nach Fethiye. Kaum mehr als 100 Kilometer von der Luftlinie her lang,  aber will man die Küste entlang des markierten Lykischen Weges abgehen, legt man ungefähr vierhundert Kilometer zurück. Wir haben etwa 70 km auf dem lykischen Weg zurückgelegt.

 

Hinter der Küste ragen hohe Bergketten auf, die Bey und die Ak Dagları, die über dreitausend Meter erreichen - das Land ist daher offen zum Meer und gegenüber dem anatolischen Hochland abgeschlossen.

Eine abgeschiedene Landschaft, wenn man kein Seefahrer ist. Und das waren die einwandernden Türken vor achthundert Jahren sicher nicht, denn sie kamen aus den wasserarmen Steppen Zentralasiens. Lykien dürften sie erst spät "entdeckt" haben, und eingewandert sind sie in die Küstenstriche eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten. Im 19. Jahrhundert war die Küste westlich von Antalya sehr dünn besiedelt, zum Teil von Griechen. Die winzigen Städtchen jedenfalls waren griechisch und hießen Myra (heute Demre), Andifli (heute Kaş), Kalamaki (heute Kalkan) und Makri (heute Fethiye).

 

Vom einstigen Hafen Andriake ist nur mehr ein kleiner Seitenarm zu sehen.
Vom einstigen Hafen Andriake ist nur mehr ein kleiner Seitenarm zu sehen.

Viele der einstigen Häfen sind heute verlandet oder durch die zahlreichen Erdbeben der letzten zweitausend Jahren zerstört. Oftmals sind nur ein paar Tümpel oder ein in Sand übergehender Seitenarm eines Flusses, sowie in Andriake, übergeblieben. Die Anfänge der lykischen Kultur, die vielleicht bis ins dritte vorchristliche Jahrtausend zurückreicht, liegen noch weitgehend im Dunkeln. Auf einem gut 4000 Jahre alten phönizischen Obelisken aus Byblos ist von einem Volk der Lukka oder Lukki die Rede, womit die Lykier gemeint sein könnten. 

 

Vor 2.500 Jahren, noch bevor die Lykier ganz in die griechische Welt integriert wurden, muss der Landstrich eine dicht besiedelte Stadtlandschaft gewesen sein. Nur wenige Kilometer trennen die heutigen Ruinen voneinander, dazwischen lag vermutlich Gartenland, wo heute Macchia und anstehende Felsen das Land prägen: Obstbäume und Olivenhaine, und in den etwas höheren Lagen Getreidefelder. Denn die Bevölkerung soll mehr als hunderttausend Menschen betragen haben.

Jeden Tag kamen wir auf unserer Wanderung auf dem Lykischen Weg bei einer der vielen historischen Städte vorbei. Bei Isalada stehen besonders viele der gut erhaltenen Tonnengräber, die aber im Laufe der letzten zweitausend Jahre ausgeraubt wurden. Immer wieder führt uns der Weg an die Küste mit schönen Blicken auf so manche - im Herbst - ruhige Bucht. Bei Apalai geht der Weg direkt an einer historischen Zisterne vorbei. Nicht nur einmal wurde aus dem Weg ein schmaler Pfad quer durch die dornige Maccia.

 

Reste einer Kathedrale in Islada
Reste einer Kathedrale in Islada

Wann haben die Bewohner:innen die einst blühenden Städte verlassen - und warum taten sie das? Das fragten wir uns immer wieder, wenn wir durch die kargen Olivenhaine und die außer uns nur von Ziegen durchstreunte Macchia wanderten. 

Die Lykier sind nicht von heute auf morgen einfach so verschwunden, sondern ihre Kultur und Identiät vermischte sich im Laufe der Jahrhunderte mit anderen Völkern.

 

Tatsache ist, es gibt keine definitive Antwort:
Möglicherweise wurden sie durch die
Einflüsse anderer Kulturen, insbesondere die der Griechen und später der Römer, immer stärker assimiliert. Ihre Sprache, Bräuche und Traditionen vermischten sich mit denen der neuen Herrscher.

Es gab aber auch politische Veränderungen: Lykien war immer wieder Schauplatz politischer Auseinandersetzungen und wurde von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt. Diese politischen Veränderungen könnten zu einer Schwächung der lykischen Identität geführt haben. 

Ein weiterer Grund war die Migration vieler Lykier: Ein Teil der Lykier könnte in andere Regionen ausgewandert sein oder sich mit anderen Kulturen vermischt haben. Zu guter Letzt wird es zu einem kulturellen Wandel gekommen sein:  Kulturen entwickeln sich ständig weiter und passen sich an veränderte Umweltbedingungen wie durch Erdbeben und klimatische Veränderungen an. Die lykische Kultur könnte sich so stark verändert haben, dass sie nicht mehr als eigenständig erkennbar war.

Auf Besuch in der antiken Stadt Myra:

Myra war zur Zeitenwende und kurz danach eine Art Provinzhauptstadt im lykischen Reich. Noch heute erhalten sind die imposanten Felsengräber, das römische Theater mit einem Fassungsvermögen von über 11.000 Besucher:innen. Wandschriften und die erhaltenen Maskenabdrücke sind Zeugen einer lebhaften antiken Theaterkultur. Mitten im Stadtzentrum befindet sich die kleine Kirche Sankt Nikolaus, wo sich das (leere) Grab des Heiligen befindet. Vor allem Russen und Russinen verehren den Heiligen Nikolaus als einen ihrer Landespatrone, dessen Grab gleich neben dem frisch renovierten Kirchenraum steht. Etwa vier Kilometer vom Stadtzentrum von Demre, wie heute Myra auf türkisch heißt, liegt die antike Hafenstadt Andriake. Die antike Stadt ist heute ein Freiluftmuseum, wo Reste der Stadt wiederbegehbar sind, wie der  einstige Marktplatz mit den Werkstätten...

Essen und Trinken:

Egal wo wir hinkamen, das Abendessen begann immer mit einem reichhaltigen Vorspeisenteller, der Meze.

Angerichtet waren neben vegetarischen Dips und feinen Aufstrichen auch Salate, knusprige Teigstangen, Kartoffelpuffer wie auch geschmackige Gemüsegerichte in Olivenöl (zeytinyağlı yemekler) und eingelegte oder gebratene Meeresfrüchte. Darüberhinaus gab fast an jeder Ecke ein Cafè und immer wieder wunderbare Sitzgelegenheiten am Wasser...

Die Wanderreise Lykischer Weg fand vom 6. bis 16. November 2024 statt. Text und Fotos: Marco Vanek